Reizfigur Angela Merkel
Angela Merkel ist eine Reizfigur. Seit dem September 2015 haftet der Kritik an Merkel etwas Ruchbares an.
Im Privatem habe ich mir angewöhnt, Kritik an Merkel positive Worte vorauszuschicken, um nicht gleich als Extremist zu gelten. So werde ich es auch hier handhaben.
Die Kritik richtet sich an die Politikerin, nicht an die Privatperson.
Klammer ich ihr politisches Vorgehen aus, habe ich Respekt vor ihr. Kanzlerjahre sind Hundejahre. Ihr Posten ist keiner, um den ich sie beneide.
Die Verantwortung und der Terminplan eines Kanzlers sind unmenschlich. Die Belastungen für das Privatleben, die Seele und den Körper sind enorm.
Daher kann ich nicht nachvollziehen, dass jemand nach 12 Jahren Kanzlerschaft nochmal vier Jahre dranhängen will.
12 Jahre als Kanzler sind prinzipiell zu viel. Ins Grundgesetz gehört eine Begrenzung auf acht Jahre.
Angela Merkel – das Glückskind
Wenn Merkel ehrlich zu sich selbst ist, wird sie eine Frage nicht beantworten können: Warum ist sie vergleichsweise beliebt und kann mehr als ein Jahrzehnt die mächtigste Figur in der deutschen Politik sein?
Sie kann weder frei noch überzeugend reden. Sie hat keine körperliche Präsenz. Man verbindet sie nicht mit einer politischen Idee. Sie verkörpert die Abstinenz von Charisma in Perfektion.
Sie schafft es mit dem verbunden zu werden, was vermeintlich gut läuft. Negatives bleibt nicht länger als ein, zwei Tage an ihr haften.
Im Wörterbuch müsste neben dem Wort Teflon ein Bild von Angela Merkel zu sehen sein. Und ein zweites Bild von ihr neben dem Wort Alternativlosigkeit.
Merkel-Anhängern stelle ich grundsätzlich zwei Fragen:
Welche Entscheidungen Merkels haben dazu geführt, dass es Deutschland aktuell gut geht?
Welche Entscheidungen Merkels werden dazu führen, dass es Deutschland in zehn bis 20 Jahren noch gut gehen wird?
Die Antwort ist immer dieselbe: Schweigen im Walde.
Neben einer guten Arbeitsethik war Glück für Merkel der wichtigste Faktor auf dem Weg zur Kanzlerschaft.
Nach dem Mauerfall wurde sie als unbeschriebenes Blatt von Helmut Kohl in die Regierung gehievt. Kohl konnte von Merkel nur gestürzt werden, weil ein Machtvakuum bestand.
Merkel ließ Edmund Steuber bei der Bundestagswahl 2002 den Vortritt. Hätte Steuber gewonnen, hätte es – aller Wahrscheinlichkeit nach – nie eine Kanzlerin Merkel gegeben.
Das Ergebnis war knapp. Steuber hatte kurz nach Schließung der Wahlkabinen seinen Sieg ausgerufen, weil erste Prognosen ihn als Sieger dastehen ließen. Das amtliche Endergebnis hingegen machte ihm zum Verlierer der Wahl.
Die Wahl wurde 2005 auf Betreiben der SPD vorgezogen. Alle Vorhersagen sahen die Union als todsicheren Sieger. Die CDU schnitt schlechter ab als die SPD und konnte im Zusammenschluss mit der CSU eine knappe Mehrheit erreichen.
Viele glauben, dass Merkel vom CDU-Parteipräsidium aufgrund der „Niederlage im Sieg“ abgesägt worden wäre, wenn Schröder sie nicht in der Elefantenrunde „brutal“ angegriffen hätte.
Berücksichtigt man all dies, kann man Merkel nicht als taktisches Genie beschreiben, sondern als vom Glück verfolgte Frau mit Selbstdisziplin, Ausdauer und ohne den Reflex, auf Probleme oder Provokationen direkt zu reagieren.
Merkels gutes Image ist rational nicht nachvollziehbar
Angela Merkel ist für den deutschen Steuerzahler ein teurer Spaß. Ob bei der Energiewende, der Eurorettungspolitik oder der sogenannten Flüchtlingskrise: Merkel kaufte sich mit Steuergeld Zeit, packte die Problematik aber nicht bei den Wurzeln an.
Sie moderiert das Tagesgeschäft. Politische Ziele hat sie nicht. Sie ist alles: konservativ, liberal, sozialdemokratisch und ökologisch – ganz abhängig vom politischen Wind, der durch Deutschland weht. Dementsprechend groß sind die Koalitionsoptionen. SPD? FDP? Grüne? Merkel scheint es gleichgültig zu sein.
In der EU hat sie es sich mit den südlichen Ländern (Euroschuldenpolitik) sowie den östlichen Ländern (Flüchtlingspolitik) verscherzt – dennoch gilt sie in deutschen Medien als Miss Europa.
Sie stellte sich als Klimakanzlerin dar, sorgt aber dafür, dass die deutsche Autoindustrie nicht „zu grün“ wird.
Sie wird für ihre Flüchtlingspolitik als Humanistin gefeiert, hat aber vor dem September 2015 Italien und Griechenland sowie die Nachbarstaaten Syriens allein gelassen und nie aufgehört, deutsche Waffen in Krisenregionen exportieren zu lassen.
Sie konnte 2013 im TV-Duell sagen, dass es unter ihr keinesfalls eine PKW-Maut geben werde. Wenige Jahre später wird eben diese verabschiedet und niemand nimmt das Wort Lüge in den Mund.
Sie wird als Analytikerin gefeiert, obwohl sie sich mehrfach mit spontanen Entscheidungen um 180 Grad drehte. Partei, Parlament und europäische Partner wurden ohne Absprache vor vollendete Tatsachen gestellt und ließen sich dies gefallen.
Medien und Parteien könnten Merkel im Wahlkampf anhand vieler Themen in die Mangel nehmen. Doch was passiert? So gut wie gar nichts.
In der deutschen Presse, so mein Empfinden, sehen mehr Journalisten ihre Aufgabe in der Verteidigung Merkels anstatt in der Kritik Merkels als mächtigste politische Person in ganz Europa.
Dass Merkel eine enge Nähe zur Springer-Presse hat, wird fast nie erwähnt. So sitzt beispielsweise ihr Ehemann, Joachim Sauer, im Kuratorium der Friede-Springer-Stiftung.
Machterhalt schlägt gesunde politische Kultur
Es ist für mich nicht nachvollziehbar, was man Merkel seitens der Öffentlichkeit sowie des Wählers alles durchgehen lässt.
2013 lautete Merkels Motto „Sie kennen mich.“. Nein, für mich ist und bleibt sie eine politische Wundertüte.
Ohne Rücksicht auf die eigene Partei nimmt sie den Gegnern jedes Thema weg, das zur Mobilisierung führen könnte. Die CDU nimmt dies devot hin. Jüngstes Beispiel: „Ehe für Alle“.
Der politische Gegner soll kein Thema erhalten, von dem politikmüde Bürger geweckt werden könnten.
Ein Unionsergebnis von 40% bei 65% Wahlbeteiligung wäre doch viel besser als 38% bei 75% Wahlbeteiligung.
Merkel agiert wie eine Präsidentin, vielleicht gar wie eine Monarchin. Den Namen der Konkurrenz nimmt sie nicht in den Mund, aus politischen Debatten hält sie sich zurück. Mehr als ein TV-Duell mit mehr als einem Konkurrenten? Keinesfalls!
Aussagen, die einem vom Glauben abfallen lassen
Angela Merkel ist keine Anti-Demokratin. Aber um die demokratische Kultur in Deutschland macht sie sich keinesfalls verdient.
Ad hoc fallen mir drei Äußerungen Merkels ein, die ich nicht verkraften kann: Die Demokratie habe marktkonform zu sein, Privatkonzerninteressen seien viel wichtiger als der Gedanke des Datenschutzes und in Deutschland gebe es nur zwei Gruppen – Menschen, die schon länger hier leben und Menschen, die neu dazu gestoßen sind.
Eine Relativierung dieser Aussagen ist mir nicht bekannt. Zudem äußert sich eine Angela Merkel in der Öffentlichkeit nicht spontan. Selbst beim Tod von Guido Westerwelle, mit dem sie viele Jahre eng zusammengearbeitet hat, fand sie keine spontanen Worte, sondern las von einem Blatt ab.
Nur wenige Menschen aus Merkels Vertrauenskreis wissen, was Merkel wirklich denkt. Wenn überhaupt.
Angela Merkel war nie „meine Kanzlerin“ und wird es auch nie sein. Die Ablehnung basiert auf ihrem politischen Handeln sowie ihrer Art zu kommunizieren. Nicht mehr und nicht weniger.
Hier kommst du direkt zu meinem Debütroman Nietzsche und Goethe wären heutzutage auch bloß zwei Kellerkinder. Außerdem freue ich mich über jeden, der meine Artikel mit Freunden und Bekannten teilt!